Traurige Nachrichten und praktische Vermittlung

Hallo Ihr Lieben,

 

ich hoffe, Ihr habt Euch keine Sorgen gemacht, weil Ihr so lange nichts von mir gehört habt… Es geht mir gut, aber es war einfach so viel zu tun, dass ich keine Zeit gefunden habe, ein paar Worte zu Papier zu bringen.

 

Heute nehme ich mir die Zeit einfach, weil mir mal wieder so viele Dinge durch den Kopf gehen und es mir gut tut, all meine Gedanken zu sortieren und auch mitzuteilen. Ich habe mir ein gemütliches Plätzchen gesucht und würde mich freuen, wenn Ihr mich bei meinem Brainstorming begleitet.

 

 

Wir haben noch immer alle Pfoten voll zu tun mit den vielen Fundtieren, die zu uns kommen. Nach wie vor ist es so, dass der Großteil der Tiere nicht vermisst wird – zumindest bei Katzen und Kleintieren. Und noch immer zeigen uns die meisten Findlinge durch ihr Verhalten, dass sie menschliche Gesellschaft gut kennen. Auch an der Situation, dass eine Vielzahl der Fundtiere medizinisch versorgt werden muss, hat sich nichts geändert. Bestenfalls reden wir an dieser Stelle “nur” von Kastration, Impfung und Kennzeichnung – nicht selten sind die Probleme jedoch größer.

Medizinische Probleme ist auch das richtige Stichwort, um uns an Obelix zu erinnern. Obelix kam in der ersten Woche diesen Jahres zu uns und in den knapp drei Monaten, die er bei uns war, hat er nicht nur unsere Herzen erobert, sondern uns auch viele Sorgen bereitet. Wahrscheinlich kennen die meisten von Euch seine Krankengeschichte und den mühsamen Weg zur Stabilisierung bereits. Als Obelix im März in sein Forever Home zog, wussten wir und auch seine neue Besitzerin, dass dieses “Forever” begrenzt sein würde … dass er bereits in der vergangenen Woche seine letzte Reise antreten würde, hatten wir nicht erwartet.

Auch wenn wir alles Mögliche für unsere Schützlinge machen und sie bei weitem nicht einfach “nur Tierheimtiere” sondern vielmehr unserer Tiere sind, können wir ein richtiges Zuhause nicht ersetzen. So war es nicht verwunderlich, dass Obelix in seinem neuen Zuhause noch einmal richtig aufblühte. Er wurde umsorgt, verwöhnt und geliebt. Uns ist es ein Trost, dass er trotz seiner schweren Herzerkrankung noch erleben durfte, ein liebevolles Zuhause sein eigen zu nennen. Wäre er nicht im Januar zu uns und dann im März zu seiner Besitzerin gekommen, wäre er mit Sicherheit schon eher auf der Straße in der Einsamkeit des Zurückgelassenen gestorben. Das Wissen, dass das verhindert wurde, spendet uns wirklich Trost.

 

 

Aber nicht alle Tiere finden ihr Forever Home, bevor sie ihre letzte Reise antreten müssen. Auch in der vergangenen Woche mussten wir unseren Hektor erlösen. Nachdem sich zunächst sein Verhalten sehr verändert hatte und dann eine schnell schlimmer werdende Lahmheit hinzu kam, brachten die Untersuchungen einen schlimmen, schmerzhaften Tumor im Schulterbereich ans Licht. Dieser Tumor hat uns und vor allem Hektor die Chance genommen, auch noch einmal das erleben zu dürften, was Obelix erleben durfte.

Hektor kam im Februar diesen Jahres zu uns mit dem Hinweis, dass er sowohl Herz- als auch Hüftprobleme und darüber hinaus sehr flinke Zähne hat. Nachdem wir festgestellt hatten, dass er auch taub war, konnten wir uns auch sein Abwehrverhalten erklären. Und nicht nur das – durch diese Erkenntnis konnten wir auch unseren Umgang mit ihm verändern, anpassen und schon bald hatte Hektor einen ganzen Kreis von Tierpflegern und Gassigängern, denen er vertraute und die ihn gut händeln konnten. Dennoch war es schwierig, das passende Zuhause für ihn zu finden, da es natürlich ein langwieriger Prozess ist, ein so ritualisiertes Abwehrverhalten zu verändern.

 

 

Herz und Hüfte waren in der Vergangenheit nicht Hektors große Baustellen … vielmehr führte die Unkenntnis über seine Taubheit zu Missverständnissen, die sein Verhalten negativ beeinflusst haben.

In unserem Alltag erleben wir viel zu oft, dass Missverständnisse zu Problemen führen. Wir erhalten Anrufe, von Hundehaltern, die zu spät erkannt haben, dass der etwas große Golden Retriever, den sie von der netten Verkäuferin aus dem Kofferraum gekauft haben, eigentlich ein Herdenschutzhund ist. Nun ist sie da die Überforderung, denn definitiv erfordert ein HSH sehr viel mehr Erfahrung … und der Hund soll weg.

 

Auch der süße Terrier, der so günstig und unkompliziert über ein Kleinanzeigenportal gekauft wurde, muss weg, da er gar nicht so katzenfreundlich ist, wie in der Anzeige geschrieben wurde.

 

Und auch das liebende Herz, das einen Hund gerettet hat, stößt an Grenzen, wenn der familienfreundliche Anfängerhund seinen Schutztrieb auspackt.

 

Diese Beispiele sind nicht ausgedacht – das ist ein Auszug aus unserem wahren Alltag. Wir könnten die Liste endlos weiter führen, aber eigentlich wird jetzt schon klar, wo die Problematik liegt. In zu vielen Fällen wird die Anschaffung eines Tieres nicht zu ende gedacht und noch weniger werden die Bedürfnisse von Mensch und Tier abgeglichen … vielmehr wird aus dem Bauch heraus oder nach Optik entschieden.

 

Natürlich muss bei jedem Tier vor der Anschaffung genau überlegt werden, welche Bedürfnisse das Tier hat, ob man diesen gerecht werden kann und welche Vorstellungen man selbst bezüglich seines Tieres hat und eben auch, ob das Tier diesen Vorstellungen gerecht werden kann … aber heute soll es einfach mal um die Hunde gehen und ich möchte das so ein bisschen durchleuchten.

 

Häufig ist die Hundesuche davon geprägt, welche Rassen gerade in Mode sind oder welche optische Vorlieben der künftige Hundehalter hat. Und so kommt es, dass der Neu-Halter des Australian Shepperds genervt ist von seinem hyperaktiven Hund oder sich der sportliche Halter über die (häufig gesundheitlich bedingte) fehlende Ausdauer seiner Französischen Bulldogge ärgert.

 

Wenn jedoch die Entscheidung getroffen ist, einen Hund ins Haus zu holen, sollten die ersten Fragen sein:

 

Was erwarte ich? Welche Charaktereigenschaften soll der Hund haben? Welche Auslastung soll er brauchen? Was kann ich dem Hund bieten? Wieviel Erfahrung bringe ich mit? Möchte ich zwingend eine Hundeschule besuchen? Wie sportlich oder gemütlich bin ich selber?

 

In der heutigen Zeit, werden Hunde über Social Media und Kleinanzeigenportale vermarktet und häufig wird sehr viel weniger an die Vernunft appelliert, als dass eine emotionale Bauchentscheidung herbei geführt wird … am Ende einer solchen Entscheidung stehen häufig Enttäuschung, Verzweiflung und auch wir, da viele “Vermittlungen” eine Einbahnstraße sind.

 

 

Wie viele Tierheime müssen wir uns auch oft den Vorwurf gefallen lassen, dass wir ja gar nicht wollen, dass unsere Hunde ein Zuhause finden. Vielleicht ist das ein Stück weit richtig, denn wir wollen nicht, dass sie EIN Zuhause finden, sondern wir wollen, dass sie das richtige Zuhause finden.

 

Wenn wir Interessenten die Frage stellen: “Was für einen Hund suchen Sie denn?” möchten wir keine Anworten wie “einen Labrador” oder “gerne mit kurzem braunen Fell” … wir möchten mit unserer Frage Wünsche und Vorstellungen für ein Leben mit Hund erfahren und Bedürfnisse übereinander bringen.

 

 

Erst, wenn wir einen Hund in der Vermittlung haben, von dem wir denken, dass es passen könnte, stellen wir Mensch und Hund einander vor. Dann aber wünschen wir uns, dass sie sich erst mal kennen lernen – und das vor allem öfters. Es soll doch eine Entscheidung für ein ganzes Hundeleben sein – die trifft man doch nicht auf dem Papier, bei Facebook oder im Internet … die trifft man im realen Leben.

Wir haben keine kategorischen NOs für Vermittlungen – es muss einfach passen. Es gibt keinen Ü60 Vermittlungsstopp bei uns, aber natürlich vermitteln wir auch nicht den Welpen an ältere Leute. Es braucht keine endlose Hundeerfahrung, aber der Hund, der Verhaltensauffälligkeiten im Gepäck hat, ist dann einfach nicht der Richtige.

Wir vermitteln nicht theoretisch sondern praktisch und wir würden uns wünschen, dass das mehr auf Verständnis denn auf verletzten Stolz stößt. Wir sind einfach schon in zu vielen Fällen das Ende der Geschichte, die mit einer falschen Entscheidung begonnen hat.

 

Ach, Ihr Lieben, wie so oft merke ich, dass das Thema so vielschichtig ist und ich mich in Beispielen und Gedanken verlieren könnte, aber ich hoffe, ich konnte Euch vermitteln, worum es mir geht.

 

Sonntag ist unser Sommerfest und es ist noch jede Menge zu tun. Ich muss jetzt mal nach dem rechten sehen, damit die Vorbereitung auch voran kommen. Das ist wirklich ein Haufen Arbeit …

 

Ich wünsche mir, viele von Euch am Sonntag auf unserem Fest zu treffen und es wäre mir eine große Freude, wenn der ein oder andere mir ein Fläschchen Katzenmilch mitbringt. Das wäre wirklich toll.

 

 

Eure Paula