…vom Tierheimalltag und seinen Regeln

Hallo Leute,

in meinen vergangenen drei Berichten habt Ihr mich begleitet, wie ich dieses ganze Informationssystem hier aufgebaut habe … nun wird es auch Zeit für richtige Alltagsinformationen. Ich möchte Euch dieses Mal einladen, mich durch den Tierheimalltag zu begleiten.

Wisst Ihr eigentlich, wie unser tägliches Leben so aussieht? Morgens sind wir alle in unseren Innenzwingern und das Hundehaus ist abgeschlossen. Die Außenzwinger werden  jeden Abend zu gemacht – wegen der Nachbarn rund um unser Tierheim. Recht früh kommt dann der Tierpfleger – es ist nicht immer der gleiche Tierpfleger für uns zuständig, aber wir kennen sie ja trotzdem alle -, begrüßt uns und öffnet die Schieber, damit wir in die Außenzwinger können. Kurz danach müssen wir dann sogar raus, weil alle Zwinger gründlich gereinigt werden. Nach der ausgiebigen Morgentoilette für Haus und Tier warten wir schon alle ungeduldig – denn um zehn Uhr kommen die ersten Gassigänger. Viele von uns haben Glück und haben Gassigänger, die fast täglich zu uns kommen, so dass wir eine richtige Beständigkeit erfahren. Bis zwölf Uhr ist unsere Auslaufzeit, dann gibt es Mittagessen. Nach dem Mittagessen wird das Hundehaus und auch die Schieber geschlossen, damit wir eine feste Ruhezeit haben und ein Verdauungsschläfchen halten können. An drei Nachmittagen in der Woche und samstags kommen fremde Leute … das ist für uns doch immer sehr aufregend und stressig. Zum Glück haben wir auch nachmittags noch einmal Gassizeit und können den Besuchern so manchmal auch entfliehen.

Also versteht mich nicht falsch … klar wünschen wir uns alle ein richtiges Zuhause, aber nicht jeder Besucher steht für ein Zuhause und für uns Hunde ist das echter Stress, wenn fremde Menschen in unser Revier kommen. Manche stehen dann frontal vor uns und gucken uns die ganze Zeit an … ein Kerl wie ich, fühlt sich da doch schon mal schnell provoziert … na ja – wie auch immer …

Bei den Katzen läuft es schon ähnlich ab, aber sie haben es geschafft, dass sie 24 Stunden Zugang zu Futter haben und sie dürfen auch immer nach draußen in die Außengehege. Ich werde mich da beizeiten mal schlau machen – vielleicht verraten sie mir ja ihren Trick und wir schaffen es, die gleichen Bedingungen im Hundehaus einzuführen. Das wäre schon cool…

Über die Kleintiere weiß ich tatsächlich gar nicht so viel. Nase und Augen haben mir aber gemeldet, dass sie zum Teil auch tolle Außengehege haben – außerdem wird mir permanent untersagt an diesen Gehegen mein Bein zu heben … es gibt auch wirklich unsinnige Regeln bei uns im Tierheim.

So sieht unser Alltag zusammengefasst aus. Tatsächlich sind diese festen Strukturen für einige von uns eine echte Stütze. Routine ist für jeden von uns eine wichtige Größe, aber so manch eine Fellnase hat in ihrem vorherigen Zuhause so wenig Halt gehabt, dass diese Strukturen einer Orientierung gleich kommen.

Zum Beispiel die alte Dackeldame Heidi, die als Fundhund zu uns kam. Sie hat die ersten Tage nur gezittert. Dann hat sie sich an die Abläufe gewöhnt und außerdem gemerkt, dass man ihr freundlich begegnet und es war schon fast Zauberei, wie schnell aus dem verängstigten Hund ein total lebensfroher und verschmuster Dackel wurde.

Wir hatten zeitgleich noch einen Dackel: Pikachu. Wisst Ihr, wie er zu uns kam? Seine Menschen sind aus ihrer Wohnung ausgezogen und haben ihn einfach zurück gelassen. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Es ist für mich unbegreiflich, wie man so etwas machen kann. Es mag Situationen geben, wo man sich von einem tierischen Freund trennen muss, aber dann muss es doch der letzte Akt der Liebe oder von mir aus zumindest Menschlichkeit sein, dass man dafür sorgt, dass der Freund versorgt ist! Wer so herzlos ist, sein Tier einfach zurück zu lassen, der dürfte nie wieder ein Tier halten dürfen! Aber leider passt da ja niemand so richtig drauf auf und man kann sich viel zu leicht Tiere “besorgen”. Solchen Menschen würde ich zu gerne einen sichtbaren Denkzettel verpassen …

Trotzdem haben so Hunde wie Heidi und Pikachu es noch ganz gut – auch wenn Pikachu ein echter Gernegroß war … er hat uns alle angepöbelt, als wäre er der Obermacker …  – sie finden recht schnell ein Zuhause. Wenn neue Hunde kommen, weiß man häufig schon, ob sie lange bleiben oder nicht. Ich kann gar nicht genau sagen, woran man das merkt. Vielleicht sind es Hunde, die mit den Schatten ihrer Vergangenheit besser umgehen können. Die irgendwo in ihrem Leben so viel Gutes erfahren haben, dass sie es besser verkraften können, sich umzustellen. Die einfach nicht so ein schweres Paket zu tragen haben.

Manch anderer von uns hat es da sehr viel schwerer. Brian, Danilo, Paco und ich – sind wir das, was man “schwer vermittelbar” nennt? Nein! Das hört sich furchtbar an. Ich denke, wir brauchen Menschen / ein Zuhause, die genauer hinsehen, die Dinge beurteilen und beeinflussen können und wollen, die sich nicht scheuen, wenn der Weg etwas weiter ist. Das schlimme ist: wir sind nicht einmal Schuld, dass wir so sind, wie wir sind. Uns wurde Leid zugefügt, das Leben nicht gezeigt oder keine Grenzen gesetzt … das alles auf dem zweiten Bildungsweg zu lernen ist nicht einfach. Zum Glück gibt es sie irgendwo: die Menschen, die die Bereitschaft haben, einem Danilo Zeit zu geben, Vertrauen aufzubauen. Die Menschen, die einem Paco Zeit und Raum geben, Regeln neu zu lernen und zu verinnerlichen. Die Menschen, die es schaffen, mir durch ihre Sicherheit das Gefühl zu geben, nicht alle Probleme auf meine Weise lösen zu müssen. Die Menschen, die Brian lesen und ihm Halt geben können.,

Glaubt mir: über jeden einzelnen von uns haben unsere Gassigänger und Pfleger so unglaublich viel Gutes zu erzählen. Und genau das ist der richtige Ansatz – man muss das Positive sehen, ohne die Probleme aus den Augen zu verlieren oder sogar zu verharmlosen … denn damit wäre niemandem geholfen. Mit uns wird viel gearbeitet. Tierpfleger, Hundetrainer und Gassigänger ziehen da an einem Strang und eingebettet in die täglichen festen Strukturen hat auch jeder von uns schon tolle Fortschritte gemacht. Wir Hunde können wirklich gut mit Strukturen umgehen … tatsächlich brauchen wir sie – Strukturen und klare und konsequente Regeln – das macht unseren Menschen für uns glaubwürdig und verständlich. Klar sind wir auch durchaus gewillt, das ein oder andere Leckerchen zu bekommen, aber das darf immer nur ein Instrument sein – nie die Lösung.

Habe ich das jetzt wirklich gesagt? Habe ich wirklich gesagt, dass wir uns unsere Leckerchen verdienen müssen? Memo an mich: diese Kolumne unbedingt anders nutzen und ein bisschen mehr “Easy Living” in den Alltag bringen.

Ich erwähne das nur zur Sicherheit noch einmal extra, damit das hier niemand falsch versteht: Konsequenz ist nicht als Härte zu verstehen! Uns braucht niemand mit einer Zeitung schlagen. Wir alle wollen lernen, das Richtige zu tun und nicht das Falsche aus Angst zu lassen. Das ist ein sehr großer Unterschied!

So Leute, das war irgendwie auch ein guter Schlusssatz … ich bin ganz schön geschafft – nach soviel Vernunft muss ich gleich mal irgend jemanden ankläffen …

Euer Atreju