Back to the roots

Hallo Ihr Lieben,

 

es ist mal wieder an der Zeit, dass ich meine Beobachtungen und Gedanken mit Euch teile.

 

Um heute zu verdeutlichen, worauf ich hinaus möchte, muss ich etwas weiter ausholen…

 

Meine Ururururgroßtante väterlicherseits kam aus Ägypten – okay, vielleicht waren es noch ein paar “Ur” mehr, aber das ändert nichts am Inhalt – und hat dort irgendwann erkannt, dass in manchen Steingebilden dieser haarlosen, aufrechten Wesen extremst viele Mäuse waren.

 

Für meine Vorfahren hat das die Nahrungsbeschaffung so sehr erleichtert, dass sie dafür die Nähe dieser haarlosen, aufrechten Wesen in Kauf genommen haben.

 

Sicherlich habt Ihr schon bemerkt, dass es sich bei diesen haarlosen Wesen um Menschen handelte … meine Vorfahren kannten sie ja damals noch nicht und es zog sie nur in deren Nähe wegen der Mäuse.

 

 

Tatsächlich passte das ganz gut: die Menschen aßen keine Mäuse und waren froh, dass meine Vorfahren das machten, da die Mäuse, die Vorräte der Menschen fraßen, die wiederum meine Vorfahren nicht mochten. Jede Seite – außer vermutlich die Mäuse – profitierte von diesem Zusammenschluss.

 

 

So kam die Katze vor vielen tausend Jahren auf den Menschen … bei den Hunden war es ähnlich …

Legt mich da jetzt bitte nicht auf die Richtigkeit der einzelnen Details fest, aber irgendwann – auch vor vielen tausend Jahren – stellte ein neugieriger und nicht allzu scheuer Wolf fest, dass Herr und Frau Neander ähnliche Nahrungsinteressen hatten wie er und seinesgleichen und dass manchmal etwas übrig blieb, was die Wölfe dann fressen konnten.

 

Auch hier kam es zu einem Zusammenschluss: zahmere Wölfe durften in der Nähe von Herrn und Frau Neander leben, halfen bei der Jagd und erhielten im Gegenzug ihren Anteil an der Beute. Nach und nach wurde aus dem zahmeren Wolf der Hund, der sich in seinem Wesen dem Menschen immer mehr anpasste.

 

 

Hui – ich gebe zu, dass ich nun sehr weit ausgeholt habe und so langsam muss ich mich mal im Zeitraffer in die heutige Zeit beamen.

Was ich darstellen wollte, war, dass das Zusammenfinden von Mensch und Katze und Mensch und Hund in den Anfängen ein sehr ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen war. Geriet ein solches Verhältnis mal aus dem Gleichgewicht, waren die Konsequenzen auch sehr stringent: Der Wolf / Hund, der z. B. einen Menschen biss, wurde umgehend und nachhaltig aus dem Bündnis aussortiert. Das kam in gewisser weise einer charakterlichen Zuchtauslese gleich.

 

 

Viele Jahrtausende blieb das Miteinander von Mensch und Hund / Katze ein ziemlich fairer Vertrag. Natürlich gab es auch immer mal Zeiten, in denen die Fairness zu kurz kam, aber über die lange Dauer des Miteinanders profitierten beide Seiten von dem Zusammenschluss. Besonders die Hunde waren sehr bemüht, ihren Teil des “Vertrages” immer zur vollsten Zufriedenheit zu erfüllen. Die einen konnten das Hab und Gut ihrer Menschen besonders gut bewachen, die anderen halfen dabei, auf Weidetiere aufzupassen. So entstanden im Laufe der Zeit auch Rassen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften.

 

Lange Zeit waren diese Fähigkeiten und Charaktereigenschaften quasi die Daseinsberechtigung des Hundes. Hunde hatten Aufgaben zu erfüllen und taten dies gut und gerne. Hatte Mensch keine Aufgabe zu erfüllen, die für einen Hund vorbehalten war, hatte er auch keinen Hund.

 

Vielleicht merkt Ihr am Spannungsbogen, dass wir uns in großen Schritten der heutigen Zeit nähern … und was sich bestimmt auch schon andeutet, ist, dass dieses Gleichgewicht heute nicht mehr gegeben ist.

 

 

Diese Entwicklung hat meinesgleichen genauso getroffen wie die Hunde, aber wir Katzen konnten unsere neue Position sehr viel besser definieren. Es liegt in unserer Natur, dass wir weniger arbeitswütig sind – also haben wir gar nicht erst versucht Euch Menschen dazu zu bringen, überall Getreidespeicher zu bauen, damit wir weiter Mäuse fangen können. Wir haben Euch clevererweise beigebracht, das Futter für uns zu erarbeiten. Ihr stellt es her, bringt es nach Hause und öffnet für uns die Dosen. Wir können die so entstandene arbeitsfreie Zeit hervorragend mit Müßiggang und Zerstreuung füllen.

Natürlich konnten auch wir nicht alles steuern … auf der einen Seite habt ihr manchen von uns das Fell weggezüchtet, die Nasen platt gemacht und ohne Rücksicht auf unser Wohlbefinden Eure mitunter abstrusen “Schönheitsideale” durchgesetzt … auf der anderen Seite lasst Ihr zu, dass wir uns unkontrolliert vermehren, krank werden und auch schon als Kitten sterben – aber tief im Inneren ist jede Einzelne von uns noch immer ein Stück weit meine Ururururgroßtante, die Euch nur gestattet in unserer Nähe zu sein.

 

 

Bei den Hunden lief es nicht so gut. Sie haben einfach immer gerne ihr to do Listen abgearbeitet und als auf diesen Listen immer weniger Aufgaben standen bzw Aufgaben hinzu kamen, die sie nicht erfüllen konnten, kam ein Ungleichgewicht in die Mensch-Hund-Beziehung. Ihr Menschen schätztet nicht länger die tollen Fähigkeiten eines Hütehundes, nicht den Scharfsinn eines Wachhundes … ihr hattet begonnen, die Gesellschaft eines Hundes einfach nur schön zu finden. Und wegen des sehr menschlich empfundenen schönen Aussehens verlor sich auch immer mehr die sinnvolle Auslese der Hunde nach Fähigkeit, Charakter und Gesundheit. Es war nicht mehr der Ansporn, mit einem Hund Arbeiten zu erledigen … der Hund sollte ins Bild passen und sich einfügen. 

Bei aller Anpassungsfähigkeit, die ich den Hunden zugestehen muss – das konnte nicht gut gehen. Hütehunde, die seit hunderten Jahren mit ihrem Menschen z. B. Schafe gehütet haben, verlieren diese Eigenschaft nicht, nur weil sie auf einmal nur noch schön sein sollen und der Mensch eben auch keine Schafe mehr hat. Jagdhunde verlieren diesen Trieb nicht, weil man ihnen ein Schleifchen ins Haar macht. 

Nicht nur, dass den Hunden nach und nach die zum Teil genetisch verankerten Aufgaben entzogen wurden … sie sollten plötzlich ganz andere Funktionen wahrnehmen … sie sollten von Haus aus bester Freund, Seelentröster, Spielkamerad und manchmal sogar Kind- oder Partnerersatz sein. Ihr Verhalten wurde nicht mehr verstanden sondern vermenschlicht. Plötzlich waren Hunde eifersüchtig, traurig oder glücklich.

 

Ich glaube, nicht, dass Herr und Frau Neander das so betrachtet haben. Damals galt nur, ob Wolf / Hund sich so verhalten hat, dass ein Miteinander möglich war.

 

Nun liegt die Wahrheit irgendwo zwischen der Steinzeit und heute. Es soll natürlich niemand mit seinem Dackel auf Mammutjagd gehen oder sich Schafe für den Hütehund zulegen, damit die Bedürfnisse der Hunde erfüllt werden.

 

 

Aber es muss ein Umdenken stattfinden, damit das Verhältnis wieder gesunden kann. Die schwierige Entwicklung, dass die Hunde die Bedürfnisse der Menschen erfüllen sollen, ohne dass die Menschen sich mit den Bedürfnissen der Hunde auseinander setzen, muss ein Ende finden. Die Folgen dieser gestörten Mensch-Hund-Beziehung sehe ich hier jeden Tag, wenn ich meine Runde durchs Tierheim mache und bestimmt geht das anderen Chef-Katzen ähnlich.

Wir müssen nicht zurück in die Steinzeit, aber zurück in eine Zeit, in der es ein Verständnis dafür gab, dass Hunde einen Aktionsrahmen, Aufgaben und Auslastung brauchen statt erdrückender und grenzenloser Emotionalität. Wir müssen zurück in eine Zeit, in der die Begriffe Schönheit und Gesundheit sich ergänzt haben statt billigend in Kauf zu nehmen, die Gesundheit der vermeintlichen Schönheit zu opfern.

 

 

Wir müssen back to the roots.

 

 

Eure Paula