Worte zum neuen Jahr

Hallo Ihr Lieben,

 

 

eine Geschichte zum neuen Jahr … so hatte ich meine Botschaft an Euch spontan genannt. Wahrscheinlich war ich verzückt von der nachklingenden Stimmung der Weihnachtszeit, den vielen Lichtern und auch den vielen tollen Geschenken, die wir von Euch bekommen haben, in denen ich auch immer wieder meine geliebte Katzenmilch entdeckt habe. Vielen Dank dafür … Ihr seid so großartig!

Während ich mir aber in meinem hübschen Katzenköpfchen zurecht lege, was ich Euch heute schreiben möchte, wird mir immer bewusster, dass es gar keine Geschichte zum Jahreswechsel ist … vielleicht passt sie in den Jahreswechsel und die zurückliegende Weihnachtszeit, aber eigentlich ist es eine Tierheimgeschichte. Und Tierheimgeschichte sage ich an dieser Stelle nur, weil “Hotel-für-temporär-hilfebedürftige-Tiere-Geschichte” einfach zu lang wäre.

Wer mich schon länger hier begleitet, weiß, dass ich eine Hotel Chefin und keine Heim Leitung bin … wobei mir gar nicht so richtig klar ist, was an “Tierheim” eigentlich schlecht ist. Ein (Tier-)Heim ist doch etwas sehr schönes – ein Ort, der Sicherheit und Geborgenheit verspricht und letztlich ist doch auch ein Hotel ein Heim, ein Zuhause auf Zeit. Ich werde da noch ein wenig drauf rumdenken und vielleicht dürft Ihr mich ab demnächst dann CEO of the Hotel “Tierheim” nennen … mal schauen.

 

 

Wirklich viele Menschen kommen mit eher negativen Gefühlen zu uns. Ich höre dann oft, wie sie zu meinen Mitarbeitern sagen “die armen Tiere hier” oder “am liebsten würde ich sie alle mitnehmen”. Sie empfinden den Besuch als furchtbar oder schlimm und natürlich verstehe ich, dass diese Empfindungen dem Mitgefühl und der Tierliebe entspringen … aber es ist auch eine Form der Wahrnehmung, die mich betroffen macht und eigentlich eine sehr vermenschlichte Fehlinterpretation ist.

Ein Klassiker ist das Hundehaus. Es ist ja schon ganz lange so, dass unsere Besucher nicht mehr einfach so durch das Hundehaus gehen und sich die Hunde ansehen dürfen. Nicht, weil wir das Hundehaus oder die Hunde verstecken wollen, sondern weil wir ihre Bedürfnisse respektieren und schützen. Nun kommt es trotzdem mal vor, dass fremde Menschen im Hundehaus sind … und was soll man von Hotelgästen, die nicht einmal eine Toilette benutzen und sich weit weniger kultiviert “unterhalten” als wir Katzen, dann auch erwarten? Jedes mal bricht ein riesiges Palaver los … als müsste die Invasion der Jedi-Ritter abgewehrt werden. Aber Reaktionen von Hunden und Katzen zu vergleichen, ist ja ein ganz anderes Thema – da haben wir jetzt keine Zeit für. 

Die meisten Menschen reagieren auf das ziemlich gewöhnungsbedürftige Verhalten meiner hündischen Gäste mit Aussagen wie “Du Armer … Du willst raus … Du hast kein Zuhause und bist im Tierheim”. Was meine hündischen Gäste aber tatsächlich – wenn auch unbeholfen – sagen wollen, ist “Obacht … Eindringlinge … hinfort mit Euch … das hier ist meins”. Ein ziemliches Missverständnis, was zu eben diesen unguten Gefühlen einem Tierheim gegenüber führt.

 

Natürlich freut sich nicht jeder meiner Gäste in meinem Hotel zu sein – das liegt jedoch nicht an uns als Tierheim, sondern an der grundsätzlichen Veränderung und dem Verlust des Vertrauten. Eine Katze, die zu uns kommt, und erst einmal erstarrt ist und Sicherheit in der Zurückgezogenheit sucht, macht das nicht, weil sie ins Tierheim gekommen ist, sondern weil alles anders ist, als es vorher war … fremde Umgebung, fremde Menschen, fremde Katzen … das sind extrem viele Eindrücke für ein Tier, das von Natur aus sehr viel wert auf Beständigkeit, vertraute Abläufe und ein vertrautes Umfeld legt.

 

Ich kenne das von mir selber … wenn zweimal im Jahr alle meine Mitarbeiter so ein Hängeding an der Wand umstellen, direkt danach zu vollkommen anderen Zeiten arbeiten und mein Buffet in der Folge auch zu vollkommen anderen Zeiten füllen, geht für mich eine Welt unter. Sie sagen dann so Sachen wie “Paula, es ist doch nur eine Stunde”, aber Hallo? zum einen geht es ums Prinzip. Man kann die Essenszeiten nicht einfach machen, wie es einem gefällt und zum anderen: hatten die noch nie Hunger?

 

Und hier geht es nur um eine Zeitveränderung – wobei ich betonen möchte, dass sich das “nur” ausschließlich auf eine Menge von Veränderungen nicht aber auf die Gewichtung bezieht – ernsthaft Leute, ich möchte nicht in meiner Nähe sein, wenn um mich plötzlich alles anders ist.

 

 

Jetzt habe ich ganz viel darüber erzählt, wie mein Hotel oft empfunden wird … jetzt wird es Zeit zu erzählen, wie es in Wirklichkeit ist und ich hoffe, dass der ein oder andere dann eine andere Sicht auf unser Tierheim-Hotel bekommt.

 

Meine Mitarbeiter und ich sind immer für unsere Gäste da. Egal, ob sie alt oder jung, krank oder gesund, nett oder unfreundlich sind. Wir heißen sie willkommen und wollen ihnen das sein, was sie verloren haben oder vielleicht nie hatten: ein Zuhause.

 

Nein, wir haben keine Sofas und niemand darf mit im Bett schlafen, aber ist das wirklich das, was ein Zuhause ausmacht?

 

 

Was nützt das schönste Sofa, wenn niemand darauf achtet, ob Katze oder Hund gesund sind.

Ein gutes Beispiel ist die Unsauberkeit. Unsauberkeit ist ein immer wieder vorkommender Abgabegrund bei Katzen. Auch wenn ich damit etwas vom Thema abrücke, ist es mir wichtig zu sagen, dass Katzen überhaupt nie unsauber sind. Was als Unsauberkeit bezeichnet wird, ist ja in der Regel der Umstand, dass die Katzentoilette nicht benutzt wird. Um an dieser Stelle direkt mit einem andern Vorurteil aufzuräumen: Protest oder der Wunsch, den Menschen zu ärgern, ist NIEMALS der Grund, dass eine Katze nicht in die Katzentoilette geht. Diese sogenannte Unsauberkeit ist immer ein Symptom für ein physisches oder psychisches Problem.

Es kommen Katzen mit diesem Symptom zu uns, für die ihr Zuhause Stress bedeutet hat, und wenn sich die Umstände im Zuhause nicht an die Bedürfnisse der Katze anpassen lassen, ist es ein richtiger Weg, ihr die Chance auf ein neues Zuhause zu geben, in dem sie sich wohlfühlt.

 

Bei anderen Katzen liegt die Ursache jedoch in z. B. Blasensteinen, Nierenerkrankungen oder Entzündungen … Ursachen, die behoben werden könnten, wenn man nur danach suchte, statt die Unsauberkeit ohne Hinterfragung als Grund für die Abgabe zu nehmen.

 

 

Wir verurteilen sie nicht … nicht die Katzen, die ihre Toilette nicht mehr nutzen … nicht die Hunde, die verhaltensoriginell sind … nicht die Kaninchen, die Hände attackieren …

 

 

Wir fragen nach dem warum und arbeiten an Antworten und Lösungen. Wer medizinische Hilfe benötigt, bekommt sie – und wo es keine medizinischen Probleme gibt, machen wir uns Stück für Stück ein Bild, was für ein Zuhause, was für Menschen Hund, Katze oder Kaninchen brauchen, um zufrieden sein zu können. 

Ich finde genau das … diese Sorge und Fürsorge, dieses für die Tiere da sein, das sich damit auseinander setzen und jedes Tier als Individuum mit eigenen Bedürfnissen wahrzunehmen … das macht ein Heim aus und das kann ich guten Gewissens von meinem Tierheim sagen und deshalb ist es ein guter Ort.

 

Bei Euch gibt es doch auch dieses Versprechen: In guten wie in schlechten Zeiten … genau so ist es – man darf es nur nicht nur sagen, man muss es leben.

 

 

Ich wünsche mir für dieses Jahr, dass die Menschen, die mein Tierheim als einen Ort des Schreckens empfinden, genauer hinsehen und erkennen, dass wir eine Zuflucht, ein Ort der Hilfe und der Chance auf ein besseres Leben sind.

 

 

Natürlich wünsche ich mir auch, dass wir dieses Jahr endlich wieder unsere Feste ausrichten dürfen, denn auch der Austausch und das Miteinander nimmt mancher Vorstellung den Schrecken … und außerdem kommen immer liebe Menschen, die mir dann Milch bringen.

Zu Beginn habe ich gesagt, dass ein Tierheim nichts Schlechtes ist und dass ich darüber nachdenken werde, mich künftig nicht mehr als Hotel-Chefin zu bezeichnen. Während ich nun alles aufgeschrieben habe, bin ich zum dem Entschluss gekommen, dass es Zeit ist, der Hotel-Chefin Lebewohl zu sagen. Natürlich habe ich Euch nichts Neues erzählt, aber wo ich mich in meinem Wort zum neuen Jahr nun so intensiv damit auseinander gesetzt habe, finde ich, dass ich mit der Bezeichnung Hotel-Chefin, selber gar nicht richtig zum Tierheim gestanden habe – zumindest in der Wortwahl.


Ihr Lieben, ich freue mich sehr, Euch mitzuteilen, dass ich ab sofort die Tierheim-Chefin bin. Für alle meine Gäste und Mitarbeiter ändert sich dadurch ja nichts, aber vielleicht setzt es ein Zeichen, dass mein Tierheim ein Heim für Tiere ist, die Hilfe und Unterstützung auf dem Weg in ein neues Leben benötigen … ein Zuhause auf Zeit.


Eure Paula